25.11.2024
Geschichten des Gelingens
Bereits jetzt tragen viele Tirolerinnen und Tiroler mit großen und kleinen Projekten aktiv dazu bei, die Energieautonomie Realität werden zu lassen. Daraus ergibt sich ein Mosaik unterschiedlichster Erfolge, während das Gesamtbild noch im Entstehen ist. Dennoch lohnt es sich, einen Blick zurückzuwerfen und eine kleine Auswahl der vielen Vorbildprojekte, die in ganz Tirol umgesetzt werden, sichtbar zu machen.
Das Thema Wasserkraft ist viel diskutiert. Doch Wasser ist ein wertvoller Energielieferant, ohne den die Energiewende nicht gelingen wird. Wie sie behutsam und zum Vorteil aller genutzt werden kann, zeigen unter anderem zwei Projekte:
Wasser
Seit 2011 wurde ein Drittel des Ausbauziels für TIROL 2050 energieautonom im Bereich der Wasserkraft realisiert.
Im Sellrain liefert ein Wasserkraftwerk seit 2023 genügend Elektrizität, um 15.000 Haushalte zu versorgen – weit mehr als für die rund 3.720 Haushalte in der Region nötig wäre. Das Besondere: Das Kraftwerk gehört keinem großen Unternehmen, sondern ist 100-prozentiges Eigentum der Gemeinden Oberperfuss, Sellrain, Grinzens, Gries im Sellrain, St. Sigmund und Unterperfuss. Es wurde so geplant und gebaut, dass die natürliche Gewässerdynamik über eine Rückleitung erhalten bleibt und die Fische mithilfe eines Fischleitsystems ihren natürlichen Weg verfolgen können. Den Überschuss an Elektrizität verkaufen die Gemeinden weiter. Und mit den Erlösen werden Projekte wie Kinderbetreuungsstätten oder Renaturierungsmaßnahmen finanziert.
Antriebssache
Auf Tradition hat sich Lukas Krainz besonnen: Der Betreiber der Wieserhofmühle in St. Johann in Tirol nutzt wieder Wasserkraft – wenn auch über einen Umweg. Denn die Mahlwerke werden elektrisch betrieben, gespeist von einem hauseigenen Kleinwasserkraftwerk, ergänzt durch mehrere Photovoltaikanlagen. So erzeugt die Mühle, die sich mittlerweile in sechster Generation im Besitz der Familie befindet, über das Jahr gerechnet rund 850 Megawattstunden– von denen nur 700 verbraucht werden.
Kombiniert mit zahlreichen Optimierungs- und Einsparungsmaßnahmen versorgt sich das Familienunternehmen zu 100 Prozent selbst und ist unabhängig von fossilen Energieträgern.
Wie ma(h)lt ihr euch die Zukunft aus?
Die Sonne schenkt uns in Tirol mehr als 1.900 Sonnenstunden jährlich. In Verbindung mit immer besseren Technologien und steigender Effizienz macht es sie zu einem wichtigen Energieträger für die Zukunft des Landes.
Sonne
Über eine Million Quadratmeter PV-Fläche im Jahr 2023, 10.000 neue PV-Anlagen ans Netz, sind dreimal so viele wie im Jahr zuvor.
Während Tirol auf das Ziel der Energieautonomie hinarbeitet, ist Andreas Sonnweber der Schritt gelungen: Bereits 2016 mit einer 145-kWp-Peak-Photovoltaikanlage ausgestattet, versorgt sich der Hof seiner Familie selbst mit Strom. Finanziert über die Förderschiene des Landes sowie die Bezirkslandwirtschaftskammer – und mit viel Mut, Eigenregie und Experimentierfreude – hat der Ötztaler den Reaß’nhof vollständig auf Solarstrom umgestellt.
Dabei war er so erfolgreich, dass die Paneele auf den Dächern merklich mehr produzieren, als der Betrieb verbraucht. Doch auch dafür war schnell eine Lösung gefunden: Die Sonnwebers richteten eine E-Tankstelle ein, bei der gratis geladen werden kann. So geben sie der Gemeinschaft etwas zurück und erleichtern auch anderen die Abkehr von fossilen Brennstoffen. Der Sonnenkönig von Oetz
Bis 2017 war Sonnenergie ein Unterfangen für Einzelkämpferinnen und -kämpfer: Das Gesetz sah vor, dass Solarstrom in Mehrfamilienhäusern nur für Gemeinschaftsflächen genutzt werden darf. Als 2017 die Wende kam, war die Familie Kühebacher ganz vorne mit dabei. Sie statteten ihr Fünf-Parteien-Haus in Rum mit einer 10-kW-Peak-Anlage aus und wurden so zu den ersten in Tirol, die ihren Mieterinnen und Mietern Sonnenstrom bieten konnten.
Dass sie sich damit auf Neuland begaben, nahmen sie in Kauf, um zum einen auch in der Praxis eine rechtliche Grundlage zu etablieren und zum anderen mit gutem Vorbild voranzugehen. Das Wagnis hat sich gelohnt: Nicht nur deckt die Anlage heute einen Großteil der Stromkosten im Haus ab, sie stärkt auch das Gemeinschaftsgefühl unter den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses.
Gemeinschaftskraftwerk
Die Abkehr von fossilen Energieträgern ist essenziell für die Energiewende. Doch mindestens ebenso wichtig ist die effiziente Nutzung – denn nichts ist ressourcenschonender als Energie, die nicht verbraucht wird.
Energieeffizienz
Durch umfassende thermische Sanierung eines unsanierten Gebäudes ergibt sich ein Energie-
einsparpotenzial von bis zu 75 Prozent.
Auch wenn sie im Alltag wenig präsent sind: Kläranlagen sind eine fundamentale Einrichtung, die das Funktionieren von modernen Gesellschaften gewährleisten. Zugleich benötigen sie aber auch große Mengen an Energie – auf Gemeindeebene sind sie in der Regel einer der größten Verbraucherinnen. Das war zwei Mitarbeitenden des Klärwerks Westendorf – Brixen im Thale ein Dorn im Auge.
Die Verursacher waren schnell gefunden: Ineffiziente Belüfter wurden getauscht, drehzahlgesteuerte Pumpen installiert und die Erzeugung von Druckluft optimiert. Um den Wirkungsgrad der Anlage zusätzlich zu verbessern, installierten sie zudem eine Mikro-Gasturbine, die aus den Faulgasen Strom rückgewinnt, und zusätzlich wurde eine Photovoltaikanlage am Dach montiert. So ergibt sich eine Einsparung, die dem jährlichen Heizölverbrauch von rund
30 Einfamilienhäusern entspricht. Mit Eigeninitative in die Energieautonomie
Ebenfalls essenziell und energieintensiv sind Krankenhäuser. Deswegen arbeiten die tirol kliniken an Energiesparplänen. Dabei geht das BKH Schwaz mit gutem Beispiel voran: Im Rahmen einer Sanierung des Bettentrakts wurden die Gebäudehülle thermisch gedämmt und sämtliche Fenster ersetzt. Dazu kommen ein außenliegender Sonnenschutz und eine hinterlüftete Fassade, alles natürlich im Niedrigst-Energie-Standard.
Zur Heizung und Kühlung dienen in Schwaz mittlerweile zwei Tiefbrunnen und Wärmepumpen. Den dadurch erhöhten Elektrizitätsaufwand deckt eine 220-kWp-Photovoltaikanlage auf den Dächern. So können im Betrieb sowohl der CO2-Ausstoß als auch Kosten reduziert werden. Aktuell werden im BKH Schwaz nur noch 50 Prozent der fremdbezogenen Energie im Vergleich zu 2013 von außerhalb bezogen.
Patient Klimawandel
Eines der größten Einsparpotenziale an fossilen Brennstoffen bietet der Individualverkehr. Doch der Umstieg auf E-Mobilität ist ein langsamer Prozess. E-Carsharing-Modelle können diese Lücke schließen, wie drei Vorbildprojekte zeigen.
Mobilität
Die Mobilität muss maßgeblich zum Einsparungsziel von 30 Prozent beitragen, da hier noch überwiegend fossile Energieträger genutzt werden. Bis 2050 soll sie emissionsfrei sein und der Energiebedarf um 62 Prozent sinken.
Während vielerorts noch diskutiert wurde,
ob E-Mobilität sich durchsetzen wird, wurden in Osttirol bereits Nägel mit Köpfen gemacht: Dort ging 2015 die E-Carsharing-Initiative FLUGS an den Start – damals noch mit einem Auto. Heute sind neun Fahrzeuge der Genossenschaft Regionalenergie Osttirol in ganz Osttirol verfügbar, eines davon in Oberkärnten. Nach der kostenlosen Registrierung kann das Angebot FLUGS E-Carsharing via App gebucht und bedient werden.
Ein Elektroauto zum Teilen
Hat Lienz den Anfang gemacht, ließ
Kufstein nicht lange auf sich warten. Dort
nahm 2017 Beecar den Betrieb auf. Mit mittlerweile 15 Fahrzeugen an elf Standorten haben es Kufsteinerinnen und Kufsteiner im Kerngebiet der Stadt nie weiter als 700 Meter bis zum nächsten E-Auto. Das machte Kufstein zur ersten Stadt mit flächendeckendem E-Carsharing in ganz Österreich. Aktuell kommen die Beecars auf je vier bis fünf Stunden Auslastung pro Tag und die 515 Nutzenden legen mit ihnen monatlich mehr als 35.000 Kilometer zurück. Mein Auto ist dein Auto
Im Bezirk Landeck haben gleich neun Gemeinden ihre Energien gebündelt und gemeinsam ein E-Carsharing-Projekt auf die Beine gestellt. Die Fahrzeuge haben sie dabei gemeinsam angeschafft, ebenso wie die Ladeinfrastruktur in den Dorfzentren. Und auch beim System bauen sie auf eine lokale Lösung des Anbieters floMOBIL, der bereits von Beginn an in ganz Tirol die E-Mobilität vorantreibt. Gerade im ländlichen Bereich haben so viele Einwohnerinnen und Einwohner die Möglichkeit, auf ein sonst nötiges Zweitauto zu verzichten und trotzdem mobil zu sein – ohne die Anschaffungs- und Betriebskosten für das Fahrzeug alleine stemmen zu müssen. Schön, wies' fährt
Die größte Herausforderung bei der Abkehr von fossilen Brennstoffen ist es, auf den ersten Blick, neue Wege zu gehen und Alternativen zu finden. Doch wer sich umsieht, entdeckt, dass wir von Energieträgern mit viel Potenzial zur effizienten Nutzung umgeben sind.
Umweltwärme
Eine Wärmepumpe vervielfacht die eingesetzte elektrische Energie, indem sie unter Nutzung unerschöpflicher Umweltquellen typischerweise das Drei- bis Vierfache an Heizungsenergie erzeugt.
Mehr als 100.000 Duschvorgänge pro Jahr, bei denen nach jedem Training und jedem Spiel mehr als 50 Personen gleichzeitig die Duschen nutzen: Das war eine der großen Herausforderungen, denen die Planung des Football Zentrums im Innsbrucker Tivoli gerecht werden musste. Als Lösung dient ein Warmwasserspeicher, der mit einer Kombination von Solarthermie, Photovoltaik und einer Wärmepumpe beheizt wird und jederzeit 10.000 Liter 70 Grad heißen Wassers zur Verfügung stellt, die Wärmepumpe beheizt gleichzeitig das Gebäude. So können jährlich vier Millionen Liter Wasser nahezu emissionsfrei erwärmt und rund 15.000 m³ Erdgas oder 15.000 Liter Heizöl eingespart werden.
Alles Warmduscher*innen
Tirol ist nicht nur beim Einsatz neuer Technologien Vorreiter, sondern auch bei deren Entwicklung. Das beweisen iDM, LAMDA und Heliotherm. Sie alle sind Pioniere, was den Einsatz neuer Kältemittel betrifft, und setzen auf Propan. Dieses ist nicht nur um den Faktor 1.000 klimafreundlicher als andere Kältemittel, sondern kann auch deutlich besser thermische Energie transportieren. Ein weiterer Vorteil von Propan ist, dass höhere Vorlauftemperaturen möglich sind, was vor allem in Bestandsgebäuden wichtig ist. Dabei ist die Kombination von eigener PV-Anlage und Wärmepumpe mit einer smarten Steuerung am effizientesten und leistet einen Beitrag zum Ziel von TIROL 2050 energieautonom.
Holz ist ein heimischer Brennstoff, der nachwächst. Die Transportwege sind kurz. Die Lagerung ist nicht umweltgefährdend. Wärme aus Bioenergie reduziert Kosten und Treibhausgase. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Heizen mit Holz hierzulande sehr populär ist.
Biomasse
Tirols Landesfläche besteht zu 40 Prozent aus Wald. Damit das so bleibt, muss für jeden gefällten Baum mindestens ein neuer gepflanzt werden. Das stellt die Tiroler Waldordnung sicher.
Ende der 1990er hat Söll sich mit einem Biomasseheizwerk von fossilen Brennstoffen losgesagt. Seither nutzt die Gemeinde Holz, das sonst lange im Wald gelegen wäre, um damit Elektrizität zu erzeugen. Das sorgt für nachhaltige, erneuerbare Energie, durch die jährlich 1,2 Millionen Liter Heizöl und damit 3.400 Tonnen CO2 eingespart werden können. Zusätzlich bleibt die Wertschöpfung durch den Kauf des Brennholzes bei lokalen Forstwirtinnen und Forstwirten in der Region. Im Kreislauf der Natur