Was vor drei Jahren noch undenkbar war, zeichnet sich heute als absolut realistisches Szenario ab – die Rede ist vom kompletten Ausstieg aus Heizöl, Erdgas und Flüssiggas in der Raumwärme bis zum Jahr 2035 beziehungsweise 2040.
Im Leitantrag der Tiroler Landesregierung „Land und Klima schützen“ vom September 2021 wurden diese Ziele klar definiert und Werkzeuge wie die Energieausweisdatenbank auf den Weg gebracht. Doch was bedeutet das in der Praxis? Im Neubau stellen diese Ziele keine großen Herausforderungen dar. Bis zu einer Leistung von 100 kW, (was in etwa 15 Einfamilienhäusern entspricht) gibt es ausreichend Möglichkeiten ein Gebäude kostenoptimal mit erneuerbarer Heizenergie zu versorgen und warmes Wasser für Küche und Bad bereitzustellen. Bei Bestandsgebäuden wird den PlanerInnen und InstallateurInnen etwas mehr an Know-how abverlangt. Wenn aber eine Handvoll Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, kann auch hier Entwarnung gegeben werden. Die Dekarbonisierung von Tirols Wohngebäuden ist definitiv keine Raketenwissenschaft.
Welche Heizsysteme können die fossilen in der Sanierung ersetzen?
Oft scheint es so, als ob es viele unterschiedliche Möglichkeiten und Kombinationen gäbe, um den Sektor Raumwärme frei von CO2 zu machen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass 90 % der Fälle, die Wohngebäude betreffen mit drei Technologien abgedeckt werden können. Denn viele der oft diskutierten Heizsysteme oder alternativen Brennstoffe sind entweder gar nicht in Serienreife am Markt verfügbar oder so hochpreisig, dass sie bei näherer Betrachtung für die HeizungsbesitzerInnen nicht infrage kommen.
1. Die Wärmepumpe
Die Energie-Ziel-Szenarien, welche im Auftrag des Landes Tirol erstellt wurden, sprechen eine klare Sprache. Die Wärmepumpen-technologie muss in der Raumwärme eine zentrale Rolle einnehmen.
Kein anderes Heizsystem schafft Wirkungsgrade zwischen 250 % und 450 % – deshalb ist diese Art des Heizens in den langfristigen Zielen so hoch gewichtet. Ob Luft, - Grundwasser- oder Solewärmepumpen zum Einsatz kommen, hängt vom individuellen Projekt und von den lokalen Rahmenbedingungen ab. Die einzige wesentliche Einschränkung dieser Systeme ist die maximale Vorlauftemperatur. Je höher diese ist, desto mehr elektrischer Strom wird zusätzlich zur kostenlosen Umweltenergie benötigt. Übersteigt die Vorlauftemperatur am kältesten Tag des Jahres nicht 50 °C, ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass Wärmepumpen ihren Beitrag zur Tiroler Energieautonomie leisten.
2. Die Pelletsheizung
Diese vollautomatischen Biomasseheizungen sind die logische Folgetechnologie von Ölheizungen, wenn die Vorlauftemperaturen deutlich über 50 °C liegen, oder, was in Geschosswohnbauten häufig der Fall sein kann, wenn überproportional zur Niedertemperaturenergie für die Raumwärme viel Hochtemperaturenergie für die Warmwasserzirkulation aufgewendet werden muss.
Rauchfang und Lagerraum sind in der Regel vorhanden und können für das neue Heizsystem adaptiert werden. Pellets Brennwertgeräte sind bereits lange Stand der Technik und holen noch mal mehr Energie aus dem Brennstoff heraus. Darüber hinaus kann mit dieser Technologie auf einen Pufferspeicher verzichtet werden.
3. Fern- & Nahwärmesysteme
Fern- und Nahwärmesysteme haben gleich wie Pelletheizungen keine Einschränkung, was hohe Vorlauftemperaturen angeht. Allerdings kann auf einen Brennstofflagerraum verzichtet werden und große Energiemengen in kurzer Zeit sind anstandslos abrufbar. Also sind bei hohen Vorlauftemperaturen oder großen Leistungen Fern- und Nahwärmesysteme oft die beste Wahl beim Heizungstausch. Insbesondere, wenn es darum geht, Erdgasheizungen zu ersetzen, ist mit einem Fernwärmeanschluss die Lagerraumfrage schnell gelöst.
Die einzige Einschränkung liegt auf der Hand – ist keine erneuerbare Fernwärme vorhanden oder erst im Ausbau begriffen, fällt diese Lösung aus. An diesem Beispiel zeigt sich, wie wichtig ein Planungshorizont von mehreren Jahren ist.
Fälle in der Praxis
Der Idealfall
Die optimale Sanierungsabfolge sieht an erster Stelle die Reduktion des Energiebedarfs eines Gebäudes vor, erst in einem zweiten Schritt erfolgt die Erneuerung des Heizsystems. Dieser Ablauf stellt den Idealfall dar. Je weniger Energie verbraucht wird, desto schlanker und günstiger werden die technischen Lösungen, die Öl oder Gas ersetzen. Wird ein Gebäude gedämmt, kann auch immer die Vorlauftemperatur der Heizung abgesenkt werden, was den Einsatz von Wärmepumpensystemen in die Karten spielt. Wenn also ein neues fossiles System im Keller steht, sollte als erster Schritt die Gebäudehülle inklusive der Fenster optimiert werden. Bei Gebäuden, die ab 2007 errichtet oder saniert wurden, kann man davon ausgehen, dass sich Dämmung und Fenster in einem passablen Zustand befinden.
Je geringer die Vorlauftemperatur im Heizungskreislauf, desto geringer sind die Verteilverluste der Heizanlage.
Weniger Ideal, aber lösbar
Ist es möglich, die bestehende fossile Heizung einfach durch eine erneuerbare zu ersetzen, ohne davor den Energieverbrauch zu reduzieren? Die Antwort lautete in vielen Fällen „ja“!
Allerdings sollten InstallateurInnen oder PlanerInnen bereits beim Tausch die Frage beantworten, wie die Heizung nach einer thermischen Sanierung zu betreiben ist. Regelung und Hydraulikeinstellungen müssen nämlich an den reduzierten Energiebedarf angepasst werden können. Die größte Sorge stellt sicherlich der gefürchtete Heizungsausfall im Winter dar. Solch eine Situation generiert automatisch einen Entscheidungszwang, hohe Kosten und überhastete Maßnahmen, die häufig zu schlechten Ergebnissen führen. Schnell geht es dann nur, wenn einfach der fossile Kessel gegen einen neuen ausgetauscht wird. Taktisch kann dieser Fall nur umgangen werden, wenn man sich früh genug von seiner alten Heizung verabschiedet, idealerweise im Sommer.
Der Ausnahmefall
In der aktuellen Diskussion wird intensiv über Fälle gesprochen, bei denen es scheinbar unmöglich ist, kurzfristig und vor allem zu vertretbaren Kosten auf erneuerbare Energieträger umzusteigen. Häufig handelt es sich bei den herausfordernden Gebäuden um Geschosswohnbauten im städtischen Bereich oder in Dorfkernen. Was also tun mit den verbleibenden 10 % an offensichtlich aufwendigen Fällen? Bei diesen Gebäuden ist davon auszugehen, dass diese die volle Zeit bis 2035 bzw. 2040 zur Umstellung benötigen, um fit für die Ziele von Tirol 2050 energieautonom zu werden. Unterschiedliche Eigentumsverhältnisse, hohe Leistungen und ungünstige Systeme für die Warmwasserbereitung verursachen Hürden, die Schritt für Schritt gelöst werden müssen. Jedenfalls sind diese 10 % der Fälle, die tatsächlich aufwendig zu lösen sind, nicht die Rechtfertigung dafür, die leicht umsetzbaren 90 % hier und heute nicht in Angriff zu nehmen.