14.01.2021
Der Weg zum Tirol 2050-fitten Gebäude
Mit dieser Schritt-für-Schritt-Anleitung klappt’s bestimmt.
1. Projektentwicklung, Vorbereitung
In dieser Phase werden die Rahmenbedingungen für ein Bauvorhaben herausgearbeitet. In Abhängigkeit von rechtlichen Vorgaben (u.a. Raumordnung, Bauordnung) werden städtebauliche, funktionale, architektonische und ökonomische Anforderung definiert.
Eine gute Beratung und Abstimmung aller Beteiligten sind das A und O.
Typische Bestandteile dieser Phase
Mit einer Standortanalyse oder einer Bebauungsstudie kann geprüft werden, in welcher Art und Weise ein Gebäude die gewünschten Nutzungsanforderungen erfüllen kann. Ein zentrales Element ist in weiterer Folge die Erstellung eines Raum- und Funktionsprogrammes. Damit können die Bedürfnisse der zukünftigen NutzerInnen abgebildet werden. Erforderliche Funktionen, Flächenbedürfnisse sowie bestimmte Qualitätsanforderungen an einzelne Räume und Beziehungen der Räume zueinander werden beschrieben und daraus ein entsprechender Kostenrahmen definiert.
Berücksichtigung von Energie und Nachhaltigkeit
Im Grunde sind schon im Zuge der Standortanalyse zentrale Punkte, wie die Versorgung des Gebäudes mit erneuerbarer Energie, das Solarpotenzial am Grundstück oder die Anbindung an den öffentlichen Verkehr zu prüfen. Über eine Bebauungsstudie, aber auch schon durch das Raum- und
Funktionsprogramm können erste Bewertungen von energie- und klimarelevanten Zielsetzungen und zu erwartenden Energiefolgekosten getroffen werden. Der Platzbedarf für Teile der Gebäudetechnik (Heizung, Lüftung) sowie der energiegewinnenden Anlagen (z.B. Größe einer PV-Anlage) lässt sich hier bereits sehr gut abschätzen. Ziele bzw. Anforderungen für die darauffolgende Ausschreibung müssen präzise formuliert werden. Der Detailgrad der Zieldefinitionen hängt stark vom gewählten Vergabeverfahren ab.
Über eine Bebauungsstudie, aber auch schon durch das Raum- und Funktionsprogramm können erste Bewertungen von zu erwartenden Energiefolgekosten getroffen werden.
Gebäudestandard definieren, z.B. Vorgabe bestimmter Energiekennzahlen, klimaaktiv-Standard oder Passivhaus
Energieträger zur Versorgung von Raumwärme und Warmwasser festlegen
Lüftungskonzept definieren (Komfortlüftung oder natürliche Lüftung)
Aktive solare Nutzung mit einer Größenordnung (Fläche) festlegen
Anforderungen an die Sommertauglichkeit des Gebäudes formulieren, z.B. freie Nachtkühlung, max. Fensterflächenanteil
Zu erbringende Leistungen für das Vergabeverfahren definieren, z.B. Angabe bestimmter Flächenkennwerte, Darstellung von PV-Anlagen in den Plänen
2. Projektfindung,
Vorentwurf
Auf Grundlage des Raum- und Funktionsprogrammes wird unter Berücksichtigung der städtebaulichen, funktionalen, baukünstlerischen, ökonomischen und ökologischen Kriterien ein realisierbarer Lösungsvorschlag entwickelt. Neben der planerischen Darstellung sind vorgegebene Kennwerte (z.B. Flächen, Kosten) zu ermitteln und eine textliche Beschreibung des Projektes vorzunehmen.
Wettbewerb als zentrales Element
Anhand der in der Projektentwicklung festgelegten Ausschreibungskriterien werden die Projektbeiträge geprüft, bewertet und ein Projekt zur Umsetzung ausgewählt. Je nach Art des Verfahrens sind mehrstufige Entscheidungsprozesse möglich. Die Entscheidung trifft dabei ein Preisgericht anhand der in der Ausschreibung festgelegten Zuschlagskriterien, die unterschiedlich gewichtet werden können. Bei der Durchführung von Architekturwettbewerben ist die Zusammensetzung des Preisgerichtes über den Wettbewerbsstandard Architektur (WSA 2010) der Kammer der ZiviltechnikerInnen geregelt. Neben den FachpreisrichterInnen (ausgebildete ArchitektInnen) und VertreterInnen der Gemeinde (Auslober) können SachpreisrichterInnen (ExpertInnen aus unterschiedlichen Sachgebieten) Mitglieder einer Jury sein.
Der Grundstein für nachhaltige Gebäude und die Auswirkungen auf den Lebens-zyklus werden bereits im Entwurf gelegt.
Alle Schritte zur Erreichung der Energie- und Nachhaltigkeitsziele werden in Planung und Ausführung im Idealfall von einer beauftragten Stelle penibel kontrolliert.
Berücksichtigung von Energie und Nachhaltigkeit
Ergänzend zur allgemeinen Vorprüfung der Projekte ist eine energietechnische Prüfung und Aufbereitung erforderlich. Zur fachlichen Unterstützung des Preisgerichts in Aspekten der Energie und Nachhaltigkeit sollte zumindest eine BeraterIn hinzugezogen werden. Falls es die Komplexität der Aufgabenstellung erfordert, kann das Preisgericht um eine/n stimmberechtigte/n ExpertIn ergänzt werden. Grundsätzlich gilt: Erhält die Beurteilung von energie- und nachhaltigkeitsrelevanten Faktoren die entsprechende Berücksichtigung im Auswahlverfahren, hilft das mit, Projekte auch auf ihre Wirksamkeit im Lebenszyklus (Kosten und Ökologie) zu vergleichen.
3. Vertiefende Planung und Ausführung
Es gilt sicherzustellen, dass die in der Projektentwicklung festgelegten Kriterien in der weiteren Planung und Ausführung des Projektes immer wieder auf ihre Zielerreichung hin überprüft werden.
Dazu sind die entsprechenden Planungswerkzeuge, wie die thermisch dynamische Gebäudesimulation oder Berechnung von Lebenszykluskosten und Ökobilanzen einzusetzen. Nur so können u.a. der thermische Komfort, eine möglichst schlanke Anlagentechnik oder die Umweltauswirkungen durch die verwendeten Baustoffe und Anlagenteile vor Nutzungsbeginn ausreichend geprüft werden. Die Planung muss so aufgestellt werden, dass bei allen Beteiligten ein Bewusstsein für die Energie- und Nachhaltigkeitsziele vorhanden ist. Dies gilt analog auch für die Ausführung. Gemeinsame Workshops in der Planung oder zu Beginn der Ausführung tragen dazu bei eine Sensibilisierung für gewerkeübergreifende Schnittstellen zu schaffen.
„Die richtige Wahl des Vergabeverfahrens ist unerläßlich für eine erfolgreiche Umsetzung der Erwartungen und Ziele die an Bau- und Infrastrukturprojekte geknüpft werden.
Durch die Trennung von Planung und Ausführung und den Einbezug unabhängig arbeitender ZiviltechnikerInnen als VertreterInnen der Bau-leute wird Bauqualität und Verbraucherschutz bestmöglich gewährleistet. Die Ziviltechniker-Innenkammer bietet dazu gerne Beratung.“
Christian Höller, Sektionsvorsitzender Architekten der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Tirol und Vorarlberg
Info: Verfahren zur Projektauswahl
Die Errichtung von Gebäuden durch Gemeinden unterliegt dem Bundesvergabegesetz. Es sind unterschiedliche Verfahren möglich, ein Projekt auszuwählen. Im Wesentlichen können Verfahren unterschieden werden, die Planung und Ausführung trennen oder die Planung und Ausführung an eine/n Auftraggeber/in (TotalunternehmerInnen-Verfahren) vergeben werden.
Getrennte Vergabe von Planung und Ausführung
Ein vielfach bewährtes Element bei eigenständiger Vergabe der Planung ist der Architekturwettbewerb. In der Regel steht eine Vielfalt unterschiedlicher Entwurfslösungen zur Verfügung. Das ausgewählte Architekturbüro wird meist als GeneralplanerIn beauftragt und übernimmt in Abstimmung mit der Gemeinde die Ausschreibung der Ausführung. Die Gemeinde hat dadurch großen Einfluss auf den Planungsprozess und die Kontrolle der Ausführung. Bei komplexen Bauaufgaben kann die Koordination von verschiedenen Schnittstellen sehr herausfordernd sein.
TotalunternehmerInnen-Verfahren
Die Vielfalt an Entwurfslösungen ist wesentlich geringer als bei einem Architekturwettbewerb. Der Vorteil wird häufig in der alleinigen Ansprechstelle gesehen, die alle von der Gemeinde gemachten Vorgaben, Kosten und Termine einhalten muss. Das bedeutet auch: ein Projekt muss in der Vorbereitung schon sehr präzise definiert werden. Damit sind eine größere Planungsvorlaufzeit und eine entsprechende Vertragsgestaltung erforderlich. Der Einfluss auf Planung, Vergabe und Kontrolle der Leistungen durch die Gemeinde ist in der Regel sehr gering.