Rund 3.300 PV-Anlagen wurden im vergangenen Jahr neu in Betrieb genommen, im heurigen Jahr werden es ersten Schätzungen zufolge über 5.000 neue PV-Anlagen sein, die ans Netz gehen. Und die Anlagen werden größer und damit leistungsstärker. Vorreiter in Sachen Sonnenkraft vom Dach sind die Tiroler Gemeinden. So positiv der rasche Ausbau von Photovoltaik in Tirol ist, so herausfordernd ist die rasante Entwicklung sowohl für die ausführenden Firmen als auch für die Netzbetreiber.
„Auf Tirols Dächern tut sich was. Bis Ende des Jahres dürften wir in Tirol rund 40 Prozent des Photovoltaik-Ausbauziels für 2030 erreicht haben. Einen wesentlichen Anteil daran haben die Gemeinden. Allein jene 50 Gemeinden, die sich als energieeffiziente Gemeinden am e5-Programm beteiligen, betreiben 117 PV-Anlangen, die den Strombedarf von 1.600 Einfamilienhäuser decken“, zieht Energiereferent LHStv Josef Geisler anlässlich der Tagung „Energie Zukunft Tirol - Volle Sonnenkraft Voraus“ eine erste Zwischenbilanz über das heurige Jahr.
Im Jahr 2050 soll nach der Energiestrategie Tirol rund ein Fünftel des gesamten Energiebedarfs aus Sonnenkraft gedeckt werden. Das entspricht der Energieerzeugung von 19 Millionen Quadratmetern PV-Fläche.
„Damit wir dieses Ziel erreichen, ist es notwendig, Schritt für Schritt nahezu alle geeigneten Dächer bestmöglich mit PV-Modulen zur Sonnenstromproduktion zu belegen. Jedes einzelne Modul, das wir heute aufs Dach bringen, hilft uns schneller unabhängig von Putin & Co zu werden“, setzt LHStv Geisler auf einen weiteren PV-Ausbau und will Hemmschuhe gezielt angehen.
„Wir haben derzeit vor allem zwei Flaschenhälse beim PV-Ausbau: zum einen die Verfügbarkeit von Fachfirmen und Arbeitskräften und in manchen Regionen die Leistungsfähigkeit der Stromnetze“, weiß Bruno Oberhuber, Geschäftsführer der Energieagentur Tirol, aus der Beratungspraxis.
War nach Ausbruch des Ukrainekriegs auch aufgrund der hohen Einspeisetarife für Sonnenstrom ein wahrer Boom zu beobachten, ist die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen zwar anhaltend groß, die Kurve hat sich aber etwas abgeflacht.
Grundsätzlich wird Interessierten zur bestmöglichen Ausnutzung der Dachflächen und gleichzeitig zu einer möglichst hohen Eigennutzung der produzierten Sonnenenergie geraten. Sollte es aufgrund fehlender Netzkapazitäten noch nicht möglich sein, die gesamte Energie ins öffentliche Netz einzuspeisen, kann ein Vollausbau trotzdem auch wirtschaftlich sinnvoll sein. Eine Beratung bei der Energieagentur Tirol hilft bei der richtigen Planung und gibt darüber Aufschluss, wie wirtschaftlich die eigene Photovoltaikanlage sein kann.
„Eine PV-Anlage ist aber nicht der einzig mögliche Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz“, verweist Oberhuber auf eine Reihe von Möglichkeiten und spricht vor allem die thermische Sanierung an. Ein thermisch saniertes Gebäude verbraucht 50 bis 75 Prozent weniger Energie.
Gemeinden nutzen ausgezeichnete Förderlage
Die Energiewende nimmt in den Tiroler Gemeinden einen essenziellen Stellenwert ein, insbesondere wenn es um die Installation und Ausbau von Photovoltaikanlagen auf den Gemeindeeigenen Dächern geht. Die aktuell sehr gute Fördersituation für Gemeinden, durch die Kombination von KIP- und GAF-Mitteln plus OeMag-Förderung, bildet dabei einen fundamentalen Eckpfeiler. Aufmerksamkeit verdient dabei die hohe Förderquote von bis zu 80 Prozent für Photovoltaikanlagen am Gemeindedach. Beispielsweise können für eine 33 kWp Photovoltaikanlage, mit Investitionskosten inkl. Montage von 71.000 Euro, durch die kombinierte Förderungen eine erhebliche finanzielle Entlastung für die Gemeinden erreicht werden. Und mit einem Blick auf die zukünftigen Projekte und die positiven Rückmeldungen aus den Gemeinden, beabsichtigen 96,6 Prozent den Ausbau ihrer PV-Flächen.
Stromnetze fit für die Energiewende machen
Fast drei von vier PV-Anlagen in Tirol speisen die erzeugte Sonnenenergie in das Stromnetz der TINETZ ein.
„Wurden im vergangenen Jahr über 2.400 Anlagen ans Netz genommen, werden es heuer bis Jahresende voraussichtlich weit über 4.000 neue Anlagen sein“, rechnet TINETZ-Geschäftsführer Thomas Trattler vor.
Seit 2020 hat sich die Einspeiseleistung in das Netz der TINETZ mehr als verdoppelt. Bis Ende 2024 geht man gegenüber 2020 von einer Vervierfachung der Einspeiseleistung auf 350 Megawattpeak aus. Das entspricht dem durchschnittlichen Strombedarf von 100.000 Haushalten.
11.000 Kilometer umfasst das Nieder- und Mittelspannungsnetz der TINETZ. Das Netz ist gut ausgebaut, aufgrund der dynamischen Entwicklung sind derzeit rund drei Prozent der Netze an ihrer Leistungsgrenze angelangt. Gerade in solchen Gebieten sind maßgeschneiderte Lösungen und eine kompetente Fachberatung im Vorfeld wichtig. „TINETZ investiert allein im heurigen Jahr rund 120 Millionen Euro in die Verstärkung und den Ausbau der Stromnetze, im Durchschnitt der vergangenen Jahre waren es 50 bis 60 Millionen Euro. Um die Netze fit für die Energiewende zu machen, werden sich die jährlichen Investitionen mittelfristig voraussichtlich verdreifachen“, so Trattler.
„Die Energiewende ist nicht gratis. Zu stemmen ist der erforderliche Netzausbau nur, wenn alle an einem Strang ziehen“, will LHStv Josef Geisler den Ausbau der Netzinfrastruktur auch bei der kommenden Tagung der Energiereferent*innen der Bundesländer zum Thema machen.
Gefordert seien aber auch die Gemeinden, etwa bei der Suche nach Standorten für zusätzliche Trafostationen.